Wort für den Tag

(La traduction en français se trouve après la prédication allemande.)

Predigt zum 1. Advent 2025, Römer 13, 8-12

Liebe Gemeinde,

wir stehen heute am Beginn eines neuen Kirchenjahres. Der 1. Advent ist ein Startpunkt. Doch im bürgerlichen Kalender nähern wir uns dem Ende des Jahres. Es ist die Zeit, in der in den Büchern Bilanz gezogen wird. In den Unternehmen werden die Konten geprüft, und auch im Privaten schauen wir zurück: Was ist offen geblieben? Welche Rechnungen müssen noch beglichen werden, bevor wir das Jahr abschließen? Niemand mag es, mit Schulden ins neue Jahr zu gehen. Wir wollen „quitt“ sein.

Genau in diese Stimmung hinein spricht Paulus im Römerbrief einen Satz, der uns aufhorchen lässt. Er spricht von einer Schuld, die wir niemals abbezahlen können – und auch gar nicht sollen.

„Seid niemandem etwas schuldig, außer, dass ihr euch untereinander liebt.“ (Römer 13,8)

Die radikale Zusammenfassung des Paulus

In meinem ersten Entwurf dachte ich noch: Was macht Paulus da eigentlich? Er, der große Theologe, zitiert die Gebote – und wirkt dabei fast nachlässig. Er greift sich ein paar der Zehn Gebote heraus – Ehebruch, Töten, Stehlen, Begehren – und wischt den Rest scheinbar beiseite mit der Bemerkung: „und was es sonst noch an Geboten gibt“.

Man könnte fragen: Ist das nicht etwas anmaßend? Wir reden hier immerhin vom „Grundgesetz“ Gottes, dem 1×1 des Glaubens! Aber bei genauerem Hinsehen merken wir: Paulus ist nicht nachlässig. Er ist radikal. Er sucht den Kern, die Wurzel.

Paulus sagt nicht, die Gebote seien unwichtig. Er sagt: Sie laufen alle auf einen Punkt zu. Wie in einem Brennglas bündelt er das gesamte Gesetz Gottes in diesem einen Satz: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“

Mit seiner Aussage weiss er Jesus hinter sich. Als Jesus im Markus- und Matthäusevangelium nach dem höchsten Gebot gefragt wird, nennt er das Doppelgebot der Liebe: Gott lieben und den Nächsten lieben wie sich selbst. Paulus führt diesen Gedanken hier konsequent zu Ende. Er sagt: Wer liebt, der kann dem anderen gar nichts Böses tun. Die Liebe ist nicht nur ein Gefühl, sie ist der beste Schutzmechanismus gegen das Böse. Sie ist, wie Paulus sagt, „die Erfüllung des Gesetzes“.

Was ist Liebe? (Eine notwendige Unterscheidung) „Wort für den Tag“ weiterlesen