Wort für den Tag

(La traduction en français se trouve après la prédication allemande.)

Predigt
Die Speisung der Fünftausend
Lukas 9,10-17

10 Und die Apostel kamen zurück und erzählten Jesus, wie große Dinge sie getan hatten. Und er nahm sie zu sich und zog sich mit ihnen allein in eine Stadt zurück, die heißt Betsaida. 11 Als die Menge das merkte, zog sie ihm nach. Und er ließ sie zu sich und sprach zu ihnen vom Reich Gottes und machte gesund, die der Heilung bedurften. 12 Aber der Tag fing an, sich zu neigen. Da traten die Zwölf zu ihm und sprachen: Lass das Volk gehen, dass sie hingehen in die Dörfer und Höfe ringsum und Herberge und Essen finden; denn wir sind hier an einer einsamen Stätte. 13 Da sprach er zu ihnen: Gebt ihr ihnen zu essen. Sie aber sprachen: Wir haben nicht mehr als fünf Brote und zwei Fische, es sei denn, dass wir hingehen sollen und für dieses ganze Volk Essen kaufen. 14 Denn es waren etwa fünftausend Männer. Er sprach aber zu seinen Jüngern: Lasst sie sich lagern in Gruppen zu je fünfzig. 15 Und sie taten das und ließen alle sich lagern. 16 Da nahm er die fünf Brote und zwei Fische und sah auf zum Himmel und segnete sie, brach die Brote und gab sie den Jüngern, dass sie dem Volk austeilten. 17 Und sie aßen und wurden alle satt; und es wurde aufgesammelt, was ihnen an Brocken übrig blieb, zwölf Körbe voll.

Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Amen

Liebe Gemeinde!

„Gebt doch ihr ihnen etwas zu essen“! Diese schlichte Aufforderung Jesus an die Jünger steht im Mittelpunkt unseres Predigttextes. Und, wenn sie ernst gemeint ist, wovon ich ausgehe, wie sollen die Jünger damit umgehen? Sie hatten nur 5 Brote und 2 Fische, denn Nahrungsmittel für 5000 Menschen trägt man schließlich nicht einfach im Rucksack bei sich. Insofern liegt der Gedanke nahe, dass es hier nicht nur um das Stillen des Hungers durch Verteilen von Essen geht, sondern auch noch um das Stillen eines anderen Hungers, den wir Menschen in uns tragen, dem Hunger nach einem guten Leben für das dieses Gastmahl symbolisch zu verstehen ist. Und selbstverständlich gehört zu diesem guten Leben auch das Satt-sein, bzw. die Abwesenheit von Hunger. Und darin kann dann auch Gottes Reich sichtbar werden.

Genau das geschieht! Es beginnt schon bei der Rückkehr der Apostel. Jesus hat sie losgeschickt, Gottes mächtiges Handeln zu verkünden und er hat sie ausgerüstet mit Vollmacht, damit sie Dämonen austreiben und Kranke heilen können. Erfüllt von dem, was sie erlebt haben, kommen die Jünger zurück und berichten Jesus, was sie getan haben. Was er ihnen aufgetragen hat, haben sie ausgeführt, nein, besser, das ist geschehen, das hat sich als wahr und wirklich erwiesen. Gottes Frieden ist durch sie zu Menschen gekommen. Die Jünger haben dabei nicht nur geredet, sondern wie Jesus gehandelt und etwas bewirkt: Blinde sehen, Lahme gehen, Aussätzige werden rein, Taube hören. Tote stehen auf und Armen wird die Herrschaft Gottes verkündet Es bleibt nicht mehr bei der Verheißung, sondern es wird auch bereits Realität.

Jetzt ist es Zeit für die Jünger nach den Anstrengungen der letzten Zeitzum Aufatmen, Erholen, sich Sammeln vor Gott und in der Gemeinschaft. Gott soll gelobt und angebetet werden für seine Macht. Deshalb zieht Jesus sich mit den Aposteln in Richtung Betsaida zurück, es liegt nordöstlich am See Genezareth. Aber Zeit zum Gebet, zur Gemeinschaft, zur Lehre finden sie nicht.

Denn, als die Leute davon erfuhren, folgen sie ihnen nach Betsaida. Sie suchen Jesus dabei nicht, weil er so schön predigt, sondern weil er Gottes Wort sagt und dieses Wort ihnen Hilfe bringt. Jesus weist sie nicht ab, obwohl er und die Apostel eigentlich jetzt Ruhe brauchen. Vielmehr bemüht sich Jesus um die Menschen; es geht ihm darum, dass sie heil werden mit Leib und Seele. Es geht dabei nicht zuerst um Regeln und Gesetze, um das, was sie tun sollen; es geht nicht um irgendeine Hoffnung, weil Gott irgendwann alles erneuern wird. Es geht um Hoffnung und Frieden in der Gegenwart Gottes, die mit Jesus da ist. Genau dann tritt Jesus in das Leben von Menschen, jetzt erfahren sie Hilfe.

In der Gegenwart Jesu geschieht es bis heute, dass Menschen von Grund auf neu werden. Dass sie dieser Gegenwart im Wort des Evangeliums und im Mahl unseres Herren glauben, durch diese Gegenwart Jesu sich selbst in Frage stellen lassen und umkehren. So geschieht das Reich Gottes auch unter uns. Und ich frage mich: Sind wir noch hungrig nach der Gegenwart Jesu unter uns?

Die vielen Kirchenaustritte sprechen eigentlich genau für das Gegenteil. Aber da müsste man sich erst einmal Gedanken um die Motivation der Austretenden machen. Eine Motivation ist sicherlich das Geld, die Kirchensteuer- zumindest in Deutschland. Zum anderen die kritischeFrage nach dem Sinn und der Aufgabe von Kirche in unserer Gesellschaft und dem Bewusstsein, dass es dabei durchaus der Veränderungen bedarf.

Nun, Hunger ist nun das entscheidende Stichwort in unserem Predigttext. Der Tag neigt sich, es wird Abend. Wer schon einmal in Israel war, weiß, wie schnell und wie früh es dunkel wird. Auf freiem Feld übernachten ohne Abendessen- das geht nicht gut. Die Jünger erkennen frühzeitig das Problem und raten Jesus, die Menschenmenge doch wegzuschicken in die umliegenden Dörfer und Höfe, damit sie dort übernachten und etwas zu essen bekommen. Die Gegend ist zwar wüstenähnlich, doch die Stadt Betsaida ist nahe und ebenso einige Dörfer, wo man Essen bekommen könnte.

Die Apostel geben Jesus also einen aus ihrer Sicht guten Rat, es ist ein Rat nach Menschenverstand, aber eben nicht der Weg Gottes. Jesus soll jetzt am späten Nachmittag die Menschenmenge wegschicken .Er aber stellt die Jünger vor die Aufgabe selber Gastgeber zu sein. „Gebt doch ihr ihnen etwas zu essen.“ Das ist für die Apostel eine Unmöglichkeit, wie ihre Antwort zeigt, und doch gibt Jesus ihnen diesen Auftrag. Aber das gewiss nicht nur, um ihnen zu zeigen, dass sie von ihm überfordert sind.

Jesus selbst wird, wie wir ja bereits wissen, die große Menschenmenge speisen, aber er beteiligt seine Apostel dabei. Er nimmt die fünf Brote und zwei Fische von ihnen, das Wenige, was da ist; er lässt sie sich darum kümmern, dass die Menge sich in Tischgruppen zusammenfindet; er reicht den Jüngern dann Brot und Fisch, damit sie es an die Menschen austeilen. Jesus beteiligt seine Jünger und macht damit deutlich, dass auch dies zum Auftrag seiner Nachfolger gehört: Gastgeber sein, als Gemeinde Jesu ein Ort der Tischgemeinschaft zu sein, die im Abendmahl ihren Höhepunkt findet. Jesus beteiligt seine Jünger an der Speisung der großen Menge, er steht im Zentrum, die Jünger teilen nur aus, was er gibt. So war es damals, anders kann es auch heute in der Gemeinde Jesu nicht gehen. All unser Wirken kann nur Austeilen dessen sein, was Jesus heute gibt.

Jesus speist die große Menschenmenge, wir müssen nicht erklären, wie das geht, mit fünf Broten und zwei Fischen so viele Menschen satt zu machen. Es geht auch nicht darum, dass auf einmal alle entdeckt haben, dass sie in der Tasche doch noch ein Stück Brot haben, dass sie mit ihren Nächsten in der Tischgruppe teilen können. Dazu bereit gemacht durch die Predigt Jesu und durch den Segen über dem Wenigen. Es geht aber ganz gewiss darum, dass Gott reich ist für alle, die ihn anrufen, dass bei ihm kein Mangel, sondern Überfluss ist und dies durch Jesus, den Christus, sichtbar wird. Gottes Handeln ist keine abstrakte Idee, sein Reich geschieht doch auch heute da und dort, wo Menschen großzügig von ihrem Besitz abgeben, mit anderen teilen. Aber Gottes Reich geschieht manchmal auch durch Mittel, die uns nicht zur Verfügung stehen, durch „Zufälle“ und Fügungen, durch die Gott seine Macht erweist. Wichtig ist, dass wir an Gottes Handeln beteiligt sind, so wie Jesus seine Jünger beteiligt. Das wir uns glaubend und betend die Hände füllen lassen und nicht mit unserer Menschenklugheit Gottes Plan verhindern. Nur durch das Vertrauen auf Jesus können wir Gottes Werk tun, können wir in die Nachfolge treten.

Aber der Grundgedanke einer gerechten Verteilung aller Güter auf der Welt zwischen den Menschen ist auch heute im Jahr 2024 eher Theorie als ein praktischer Vollzug. Lukas stellt sich das so einfach vor (LK19.1ff). Nach seiner Meinung sollen die Reichen die Hälfte ihres Reichtums den Armen geben und so den Ausgleich schaffen zwischen den Hungernden und den Satten. Doch die Wirklichkeit ist ja viel komplizierter. Armut und Reichtum sind nicht nur Probleme des gerechten Teilens, sondern es sind ebenso politische und ökonomische Probleme mit Blick auf die ganze Welt.

Auch etwas beunruhigend empfinde ich die Aufforderung: “Gebt doch ihr ihnen etwas zu essen“, wenn wir sie auf uns ganz persönlich beziehen. Nun ja, wir haben schon ein wenig mehr anzubieten als die Jünger damals, wir können es teilen. Aber unsere Beiträge sind auch begrenzt. Und viele Menschen haben darum ein schlechtes Gewissen, weil es keine realisierbare Lösung gibt, um allen Menschen zu ermöglichen satt zu werden. Und wir laufen Gefahr, dass dadurch engagierte Menschen den Glauben an das Gute verlieren und sich ganz zurückziehen, vielleicht sogar aus der Kirche austreten.

Vielleicht hören wir in uns aber auch noch eine andere Stimme, die uns sagt: „Das Himmelreich ist nahe herbeigekommen“. Vielleicht entdecken wir in den Augen eines hungrigen Menschen, dass es um mehr geht, als um Essen. Die Aufforderung: “Gebt doch ihr ihnen etwas zu essen“, meint dann auch die ganze Bandbreite von „Brot“ im christlichen Sinn. Es geht auch um den Sinn des Lebens, die Lebensfreude, das Herstellen eines menschenwürdigen Daseins mit Unterkunft, Kleidung, Arbeit. Es geht auf uns bezogen um unseren moralisch-christlichen Anspruch und unsere Einsicht, in die Möglichkeiten, die wir haben, um der Gegenwart gerecht zu werden. Wir sind aufgefordert uns zu besinnen, wie wir den Zukurzgekommenen dieser Welt eine Hoffnung geben können im Rahmen unserer Möglichkeiten. Und da können wir ehrlichweise kaum anders antworten als die Jünger damals: Wir haben doch nicht mehr als 5 Brote und 2 Fische“!

Wir wissen alle um die Notwendigkeit des Teilens nach dem Motto: „Wer hat, kann geben“! Aber, wenn wir denken, dass wir durch unser Teilen das Himmelreich erlangen, dann liegen wir falsch. Es ist Christus, der das Brotwunder vollbringen kann. Und er tut dies, wo hungrige Menschen zusammenkommen und nach seinen Worten- seinem Mahl- hungern ob sie nun arm sind oder reich. Die Leute aßen und alle wurden satt, sagt nun unser Predigttext.

Satte Wohlstandsmenschen wissen das nicht zu schätzen, wie wohltuend der Abend für diese Menschen war, als Jesus sie mit Brot und gesalzenem Fisch satt gemacht hat. Aber, es war ja nicht nur das, sondern im Wort Jesu und durch Brot und Fisch haben sie Gottes Fürsorge erfahren. Sie haben Stärkung für ihren Weg durch ein manchmal angefochtenes Leben, Ermutigung für Zeiten des Mangels bekommen. Der Apostel Paulus schreibt, abschließend für meine Predigt, dazu folgende Worte im Brief an die Philipper, die auch wir heute gut hören können(Phil 4.12,13,19): „Ich kenne den Mangel und ich kenne den Überfluss. Alles und jedes ist mir vertraut: das Satt-sein wie der Hunger, der Überfluss wie die Not. Ich bin allem gewachsen durch den, der mich stark macht. Und mein Gott wird euch alles geben, was ihr braucht. Er wird euch durch Jesus Christus am Reichtum seiner Herrlichkeit teilhaben lassen.“ Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen