Wort für den Tag

(La traduction en français se trouve après la prédication allemande.)

Predigt vom 28.04.2024

Liebe Gemeinde!

Zu meinem sechzigsten Geburtstag erhielt ich von unseren Enkelkindern Ava und Marla ein ganz außergewöhnliches Geschenk! Es war in einer länglichen Schachtel eingepackt! Sie hatten dafür ihr eigenes Taschengeld ausgegeben. Aufgeregt beobachteten sie mich, wie ich diese Schachtel langsam vom Geschenkpapier löste. (Ich glaube, sie waren ungeduldiger als ich!)

In der Schachtel befand sich ein Zauberstab von Harry Potter! Ich war sehr gerührt von diesem Geschenk. Dazu bekam ich noch alle DVDs zu der Geschichte von Harry Potter. Ich bin nun ein Insider dieser wunderbaren Geschichte, in deren Mittelpunkt die Zauberschule auf Schloss Hogwarts steht.

(Harry Potter ist eine Kinder- und Jugendromanreihe der englischen Schriftstellerin Joanne K. Rowling. Erzählt wird die Geschichte der titelgebenden Figur Harry Potter, der an seinem elften Geburtstag von seiner magischen Herkunft erfährt und fortan Schüler des britischen Zaubererinternats Hogwarts ist.)

Die Geschichte vom begabten Zauberlehrling Harry Potter begeistert Kinder und Erwachsene auf der ganzen Welt. Sie ist voller Phantasie geschrieben und weckt die Sehnsucht jedes Lesers, selber solch einen Zauberstab zu besitzen, um damit über Vieles im Leben Macht zu bekommen.

Die Schüler von Hogwarts erhalten mit dem Zauberstab Zugang zu übernatürlichen Kräften, die sie lernen müssen, richtig anzuwenden. Gleichzeitig gilt es, diesen magischen Zauber zu kontrollieren und nicht für selbstsüchtige Zwecke zu missbrauchen.

Mit anderen Worten: Es ist eine Sache, etwas geschenkt zu bekommen, wodurch sich uns ein unermessliches Reich der Magie eröffnet, in der wir mit neuen Augen eine sichtbare und unsichtbare Welt entdecken. Eine völlig andere Sache ist es, was wir aus diesem Geschenk machen! Wenn wir den Wert eines kostbaren Geschenks nicht erkennen und darum nicht wirklich anwenden, kann es seine Wirkung – ja seine Macht – überhaupt nicht in unserem Leben entfalten.

Liebe Gemeinde!

Auch wir befinden uns hier in unserer Kirche in einer Zauberschule, die nichts anderes tut, als uns an den wichtigsten Zauberstab zu erinnern, den uns Jesus geschenkt hat!

Als Zauberlehrlinge dürfen wir ihn in unserem Leben anzuwenden und immer mehr zur Wirkung kommen zu lassen: In unserem persönlichen Leben und im Leben der Menschen, die Gott uns anvertraut.

Welcher Zauberstab steckt denn dahinter, dass wir uns heute hier versammeln, um wie Verzauberte unsere Gemeinschaft mit Gott zu feiern, weil uns vor 2000 Jahren ein Jesus von Nazareth dazu angestiftet hat. Was hat diesen gewaltigen zeitlichen Abstand überbrücken können? Welche Magie steckt dahinter?

Liebe Gemeinde, es gibt Geschenke, die es in sich haben!

Es gibt Geschenke, die so wichtig sind, dass wir uns in der Kirche häufiger an sie erinnern müssen, und nicht nur, weil es wieder laut Kirchenjahr mal wieder Zeit dazu ist!

Wenn wir sie annehmen, wird nichts mehr in unserem Leben so bleiben wie es ist. Es ist genau wie bei Harry Potter, der langsam begreift, welche starken magischen Kräfte ihm gegeben wurden.

Ja, und auch wir verfügen über eine Kraft, die in unserem Leben Spuren hinterlassen hat.

Heute möchte ich mich mit Ihnen an den wichtigsten Zauberstab erinnern, der uns wie eine Fackel überreicht worden ist, um Licht in unser Leben und das Leben der Welt zu bringen.

Schauen wir zurück auf den Spender der Gabe!

Unglaublich, was da vor 2000 Jahren passiert ist. Nach menschlichem Ermessen scheitert der Mensch Jesus von Nazareth nach drei Jahren öffentlichem Wirken am Kreuz und wir treffen uns heute trotzdem, erfüllt von seiner Botschaft. Wie lässt sich das überhaupt erklären?

Wie kommt es, dass diese Botschaft nicht längst vom Winde verweht ist!

Warum?

Weil wir die Bibel haben und dort nochmal alles Schwarz auf Weiß steht? Weil wir die Bibel in unserer Muttersprache dank Martin Luther besitzen? Weil die Kirchen die Überlieferung so gut organisiert haben? Weil Priester und Pfarrer so fleißig Theologie studiert haben? Weil viele Menschen wie hier sich in den Gemeinden engagiert haben?

Das alles hat seine Bedeutung!

Aber das allein würde nicht reichen.

Jesus von Nazareth hat uns keine schriftlichen Texte direkt hinterlassen wie andere sogenannten Religionsstifter. Er hat kein einziges Wort aufgeschrieben. Wir verfügen über mehr oder weniger gesicherte Beschreibungen seines Lebens und seine Aussprüche, über die es immer noch eine Diskussion gibt, was wirklich von ihm stammt. Zudem liegt der größte Teil seiner Lebensgeschichte im Dunkeln.

Das alles ist für Außenstehende, also jene, die allein mit dem Verstand das Phänomen unseres Glaubens begreifen wollen, rätselhaft.

Der entscheidende Zauberstab, den uns Jesus als wichtigstes Vermächtnis für die Zeit nach seinem irdischen Leben verheißen hat, finden wir im Lukas- und Johannes-Evangelium und auch zu Beginn der Apostelgeschichte.

Jesu Geschenk ist im Kern kein Buch oder eine Reihe von druckfrischen Texten, sondern Gottes inspirierende Nähe in unserem Leben.

Wir nennen sie Heiliger Geist.

Entschuldigen Sie! Dieses Wort mag für viele abgegriffen klingen!

Aber dahinter steckt keine Theorie, sondern eine unermesslich segensreiche Wirklichkeit, die jeder einzelne von uns eingeladen ist, in seinem Leben direkt zu erfahren.

Es geht um diese unsichtbare Energie, die uns das Gefühl zu schenken vermag:

Wir sind immer in Gott zu Hause!

Wir berühren mit diesem Geschenk eine Welt des inneren Lebens, der wir uns nur zu öffnen brauchen.

Selbst Luther, der das „Allein die Schrift“ betont hat, schreibt in seinem Großen Katechismus, dass wir ohne diese pulsierende Lebendigkeit Gottes keine innere Brücke zu Botschaft der Bibel schlagen können.

Selbst Paulus, der unablässig von dieser Wirklichkeit des Heiligen Geistes schreibt, macht deutlich:

Der reine Buchstabe tötet, der Geist aber macht lebendig.

Er lässt uns hinter den Sätzen den belebenden Atemwind Gottes erfahren.

Mit dem Zauberstab des Heiligen Geistes sind wir mit der tiefsten Liebe verbunden, die wir uns vorstellen können!

Wir sind keine Bettler, sondern reichlich beschenkte Geburtstagskinder!

Egal, wo wir uns befinden, egal in welcher Lage unseres Lebens wir sind:

Wir sind eingeladen, uns jederzeit im Gebet mit dieser liebevollen Gegenwart zu verbinden, die uns innerlich aufbauen, stärken und trösten kann.

Der Zauberstab Gottes ist der Heilige Geist!

Durch das Gebet packen wir dieses Geschenk aus und machen uns empfänglich für seine heilsame Kraft.

Hier geht es nicht darum wie bei Harry Potter die äußere Welt zu manipulieren.

Hier geht es um etwas viel Größeres, was kein Magier dieser Welt zu bewirken vermag!

Hinter den Höhen und Tiefen unseres Lebens, hinter vielleicht manchen Enttäuschungen und Wunden, hinter Ängsten und mancher Verwirrung, hinter manchen Irrfahrten und inneren Verkrustungen entdecken wir nämlich, dass in uns das grenzenlose Potential einer Liebe wohnt, die uns schon längst vollkommen angenommen hat und nur darauf wartet, uns immer wieder in die Arme zu schließen mit der Botschaft:

Ich bin alle Tage bei Dir, wenn auch die Welt vergeht!

Ist das nicht der schönste Grund, warum wir heute am Sonntag „Kantate“ Gott mit Liedern danken können?

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, sei mit uns allen!